-ORIGINALIA-

Publikation aus: AKODH-INTERN 1999; 3: 24-27 (SynMed Verlag, Berlin)

Hyperthermie, Fieber und Hitzeschock Proteine –
Immunologische Implikationen in der Onkologie

 Ralf Kleef, Wien

"Jene Erkrankungen, welche die Medizin nicht heilt, werden durch das Messer geheilt und solche, die das Messer nicht heilt, werden durch das Feuer geheilt, solche aber, die durch das Feuer nicht geheilt werden, sind als unheilbar anzusehen."

[Hippokrates 460-377 B.C.].

 

 Zusammenfassung

Während sich die moderne klinische Hyperthermie meistens auf zytotoxische Temperaturen über 41.0° C konzentriert, oft in Kombination mit Chemotherapie [-, , , , , , , ], zeigen neuere Studien ermutigende Resultate mit einer fieberähnlichen "low level" Hyperthermie (LLHT) mit Temperaturen zwischen 39.0° C und 40.5° C zur Behandlung von Krebserkrankungen []. Ebenso zeigte die Kombination der LLHT mit Chemotherapie (CHT) für verschiedene Zeitintervalle eine gesteigerte Effektivität der CHT [, ]. Als hierbei wirksame Mechanismen wurden unter anderem beschrieben die erhöhte Expression von Zelladhäsionsmolekülen auf Lymphozyten und dem Gefäßendothel [], Veränderungen der Hitzeschock Proteinexpression und zelluläre Veränderungen [] sowie Apoptose Induktion [, ]. Aufgrund der bekannten Schwierigkeiten, angemessene Endotoxin- und Exotoxin Pyrogene als "Krebsvaccine" zur Zulassung zu bringen, wurde vorgeschlagen, physikalische Methoden zu benutzen, um fieber-ähnliche Temperaturen bei Menschen zu erzeugen, die an bösartigen (und chronischen) Erkrankungen leiden.

Schlüsselwörter

Hyperthermie, Fieber, Hitzeschockproteine, Onkologie


Mechanismen und Physiologie

Es wird weithin angenommen, daß die Temperaturerhöhung eine positive Komponente der Abwehr in der Fieberantwort darstellt. Induktion von exogener (z.B. Kurzwellen-, oder Infrarot Ganzkörperhyperthermie) oder endogener (mit pyrogenen Substanzen) Hyperthermie hat eine Vielzahl von Indikationen in der Medizin. Allerdings hat der Gebrauch von anti-inflammatorischen oder antibiotischen Substanzen zu einer Vernachlässigung dieser therapeutischen Modalitäten geführt, die erneute Beachtung verdienen.

Insbesondere in der Onkologie weckt die Hyperthermiebehandlung in der wissenschaftlichen und auch Laienwelt steigendes Interesse. Unglücklicherweise ist es oftmals schwierig, eine klare Linie zwischen der guten klinischen Praxis (GCP) und einer ungerechtfertigten Promotion der Hyperthermie zu ziehen. Am schwierigsten ist dies natürlich für den Patienten selber.

Die Ursprünge der Hyperthermie lassen sich in der alten Literatur verfolgen, in der sogenannte Spontanremissionen bösartiger Erkrankungen überdurchschnittlich häufig nach hochfieberhaften Infekten berichtet wurden [, ]. In den letzten Jahrzehnten wurde eine beeindruckende Zahl von tiermedizinischen- und Labordaten gewonnen, in denen die Effekte von Hitze auf das Überleben und Wachstum von Zellen untersucht wurden. Die Temperaturerhöhung während der Fieberantwort wurde mit Auswirkungen auf die immunologische Erkennung und Rekrutierung von Effektorzellen assoziiert. Diese Temperaturerhöhung beeinflußt primär die Erkennungsphase und Sensibilisierung oder Aktivierung von mononukleären Leukozyten [Übersichten bei -, , , , ]. Jüngere Studien der lokalen und regionalen Hyperthermiebehandlung fortgeschrittener Rektumkarzinome zeigten vielversprechende Ergebnisse in Kombination mit Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie [].

Hyperthermie ist direkt zytotoxisch gegenüber Tumorzellen und inhibiert die Reparatur des Strahlenschadens in der Krebszelle. Diese Effekte werden durch physiologische Bedingungen im Tumor wie Azidose und Hypoxie noch gesteigert. Der Tumor-Blutfluß ist in Relation zu normalem Gewebe oftmals reduziert und wird bei zytotoxischen Temperaturen (>41.5° C) weiter reduziert. Hierdurch wird die Hitzesensitivität der Tumorzellen durch Reduzierung des "thermal outwash", d.h. der wärmebedingten reaktiven Vasodilatation und des gesteigerten Blutflusses mit "Abtransport" der Wärme weiter reduziert. Reduzierter intratumoraler Blutfluß und Schädigung endothelialer Zellen induzierte eine Synergie zwischen Tumor Nekrose Faktor-a (TNF-a ) und Hyperthermie [, ].

Grob unterscheidend können zwei Hauptformen der Hyperthermiebehandlung beschrieben werden: lokale/regionale Hyperthermie z.B. durch transcutane Mikrowellen Applikatoren und Ganzkörperhyperthermie (GKHT) z.B. durch Wasser-Öl Bäder oder Ganzkörperbestrahlungen mit Mikrowellen oder Infrarotlicht. Extrakorporal induzierte Hyperthermie wurde von einer Reihe Autoren mit ermutigenden Resultaten durchgeführt [, ]. Ganzkörperhyperthermie steigerte Natürliche Killer Zell Aktivität [] und zelluläre Immunität bei Krebspatienten [] und demonstrierte Antitumor Effekte in Kombination mit exogenem TNF-a [, ]. Wichtig allerdings ist es, die moderate (38.5° < 40.5° Celsius) und prolongierte (4-6 Stunden auf diesem Temperaturniveau) GKHT von der GKHT im extremen Temperaturbereichen von 40.5° – 41.8° Celsius zu unterscheiden.

Hyperthermie-Pioniere in Deutschland waren von Ardenne [-, , , ] und Heckel []. Von Ardenne propagierte das Konzept der Tumorübersäuerung plus Hyperthermie, da die Hyperthermie per se eine azidotische Stoffwechsellage induziert, ein Konzept, das später als Krebs-Mehrschritt-Therapie bekannt werden sollte [, ]. Später demonstrierten Roberts und Steigbigel [] erhöhte mitogene Proliferation und bakterizide Kapazität polymorphnuklearer Leukozyten nach in vitro Exposition in fieberähnlichen Temperaturen. Eine Reihe von in vitro Studien zeigte spezifische Effekte der Hyperthermie, die ähnlich denjenigen waren, wie sie bei physiologischen Temperaturerhöhungen im Fieber sind. Yonezawa et al. [] beobachtete Hyperthermie-induzierte Apoptose in malignen fibrösen Histiozytom Zellen in vitro. Interessanterweise zeigten in vitro Studien erhöhte NK Zell Zytotoxizität bei febrilen Temperaturen (< oder = 40° C ), aber erniedrigte Zytotoxizität nach einer Exposition der Zellen über 1 Stunde bei 42° C [].

Synergistische Antitumor-Effekte der kombinierten Hyperthermie und Immuntherapie wurden von verschiedenen Autoren berichtet. Niitsu et al. [] berichtete die Synergie von Hyperthermie und rhTNF auf Zytotoxizität und artifizielle Metastasen in vitro und in vivo. Synergie von lokaler Wasserbad Hyperthermie und TNF-a hinsichtlich Zytotoxizität, aber auch systemischer Toxizität, wurden von van der Zee et al. beschrieben []. Die Kombination von lokaler Hyperthermie und Immuntherapie mit Lymphokin-aktivierten Killer (LAK) Zellen und IL-2 in der Behandlung multipler pulmonaler Metastasen in Mäusen zeigte eine signifikante Reduktion pulmonaler Metastasen von MCA-105 Sarkomzellen verglichen mit der Kontrollgruppe in einer Studie von Strauch et al. []. In vivo Hyperthermieexpositionen von Robins et al. [] zeigten signifikante Zytokininduktion für G-CSF, IL-1-b , IL-6, IL-8, IL-10, und TNF-a . Allerdings fand eine frühere Studie Erhöhung von IL-1-a , nicht aber von TNF-a nach Ganzkörper Hyperthermieexpositionen [].

Lokale Hyperthermie wurde vor allem erfolgreich in der Behandlung des hepatozellulären Karzinoms [] und bei Heterotransplantaten menschlicher Prostata Karzinomzellen [] in Kombination mit TNF-a eingesetzt. Die hierbei beobachtete synergistische Zytotoxizität wurde mit der Hyperthermie-induzierten Aktivierung lysosomaler Enzyme und Induktion von Hydroxyl Radikal Produktion durch rhTNF erklärt [].

Weiterhin gibt es umfangreiche Literatur über die Kombination der lokalen Hyperthermie mit der Strahlentherapie. So verhindert lokale Hyperthermie die Reparaturmechanismen der Krebszelle nach Strahlentherapie und ist von vielen Autoren in Kombination mit Radiatio mit oder ohne Chemotherapie eingesetzt worden [, ]. Jüngere Ergebnisse europäischer Arbeitsgruppen zeigten bei verschiedenen Tumoren die Überlegenheit der Thermo-Radiotherapie gegenüber Radiotherapie allein [].

Ebenso wurden Synergien für die Kombination der extremen Ganzkörperhyperthermie (41.8° C) mit Chemotherapie beschrieben, da bekannt ist, daß verschiedene chemotherapeutische Substanzen (u.a. Mitomycin, Platinderivate wie Bleomycin und Melphalan) als Thermosensitizer fungieren können [-, , , ].

Eine spezialisierte Form der Hyperthermie, die intraperitoneale Perfusionshyperthermie (IPHP), wurde in Japan entwickelt, einem Land mit einer besonders hohen Inzidenz von bösartigen Magenerkrankungen. Das Verfahren ist indiziert bei peritonealer karzinomatöser Dissemination, da das Peritoneum als hydrophobe Oberfläche die Resorption von Zytostatika verhindert und es so zu einer direkten Benetzung der Peritonealkarzinose mit der heißen zytostatischen Spülflüssigkeit kommt. Es konnte gezeigt werden, daß die IPHP endogenen TNF-a induzierte, ein Phänomen, welches nicht durch die Translokation von Endotoxinen aus der Bauchhöhle vermittelt wurde [].

 

Hitzeschockproteine

Hitzeschockproteine (HSP) gehören einer Gruppe von "Streß-Proteinen" an, die nach so unterschiedlichen Reizen wie oxidativen Verletzungen, Schwermetallen, bakteriellen Toxinen und exogener Hitze sezerniert werden. Sie werden auf Basis ihres Molekulargewichtes in fünf Familien unterteilt: niedriges Molekulargewicht, hsp65, hsp70, hsp90 und hsp100 [Übersichten bei: , , ]. HSP wurden als molekulare Chaperone beschrieben, die in der Lage sind, dem lymphatischen System Proteinstrukturen zu präsentieren. In dieser Funktion können sie als Trägermoleküle für antigene Tumorpeptide dienen und dadurch die natürliche Immunität gegenüber Krebserkrankungen erhöhen []. So korrelierte die erhöhte Expression von hsp70 nach Hyperthermiebehandlung oder nach Lipopolysaccharidexposition (LPS) mit einer erhöhten Immunogenität von Krebszellen durch deren Lyse durch alpha/beta T Zellen []. Krebszellen weisen oftmals eine verstärkte Expression von HSP auf [] und es ist gut dokumentiert, daß die endogene Fieberinduktion mit Lipopolysacchariden (LPS) zu einer vermehrten Expression von HSP in Makrophagen [, ], Blutgefäßendothel [] und Enterozyten führt []. Interessanterweise wurde die hsp70 Induktion nach einer Fiebertherapie mit Endotoxinen bei Melanom Patienten in vivo und in vitro beschrieben [].

Eine zunehmende Zahl von Studien belegt den protektiven Effekt von HSP gegenüber oxidativen Schädigungen, giftigen Substanzen und bakteriellen Toxinen [-, , ]. In "gestreßten" Zellen scheint hsp72 essentiell für das Überleben der Zelle während und nach einer Verletzung der Zelle zu sein.

HSP wurden außerdem als potente Krebsvaccine vorgeschlagen [], da sie dem menschlichen Immunsystem, speziell CD8+ T Lymphozyten, Krebsantigene präsentieren können []. Überdies konnte gezeigt werden, daß exogene Zellkomponenten wie tumorassoziierte Antigene, welche normalerweise nur in Assoziation mit dem MHC Klasse I Komplex präsentiert werden, durch HSP am endoplasmatischen Retikulum in diese Assoziation gebracht und so von zytotoxischen T Lymphozyten erkannt werden können []. Auch Zelladhäsionsmoleküle wie ICAM-1 werden durch HSP verstärkt exprimiert, wie nach LPS Stimulation am Blutgefäß Endothelium gezeigt werden konnte [].

Die HSP Gen Transkription steigt während oder direkt nach Hitzeexposition; eine Korrelation zwischen der Synthese von HSP und Thermotoleranz wurde sowohl in normalen, wie auch malignen Zellen demonstriert []. HSP erscheinen nach der Aktivierung des sogenannten Hitzeschock-Transkriptions-Faktors. Das Protein wurde 1987 isoliert und gereinigt [, ]. Nuklease Andau Studien haben klar demonstriert, daß dieses Protein erst nach einem Zellstreß an der korrespondierenden Promoter Region des Gens bindet. Nach Aktivierung bindet der Faktor an das HSP und die genetische Aktivierung ist initiiert. Man nimmt an, das Ubitiquin im Aktivierungsprozeß involviert ist. Weiterhin wurde vorgeschlagen, daß das Signal für die Induktion des Hitzeschock Response sich auf die Fähigkeit der Zelle bezieht, die Präsenz abnormaler Proteine zu erkennen.
Allerdings ist noch kein gemeinsamer Stoffwechselweg der Genaktivierung bekannt.

Die meisten Organismen bedienen sich der Transkription als primäre Kontrolle und der Translation als Kontrolle zum "fine tuning" für die Synthese individueller HSP []. Die Signale, die in der HSP Synthese involviert sind, gebrauchen die Second Messenger Kaskade, welche möglicherweise durch eine intra-membranöse Protein Aggregation getriggert wird. Es ist dagegen noch nicht bekannt, welche Schritte zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors führen. Die Struktur des Gens und der Promoter Region des Transkriptionsfaktor sind beschrieben.

Interessanterweise konnte gezeigt werden, daß eine vorherige Induktion von HSP den Organismus vor einer darauffolgenden LPS-induzierten Hypotension schützt; dieser Mechanismus erklärt sich durch die Inhibition der Überproduktion von Stickoxyd (NO) durch eine reduzierte iNOS (inducible nitric oxide synthetase) mRNA Induktion [-, , ]. Ebenso werden endotheliale Zellen in vitro vor einer Apoptose via hsp70 und Inhibition der LPS-vermittelten O2-Generation geschützt [, ]. Allerdings konnte gezeigt werden, daß eine vorherige HSP Induktion eine posttranslationale Kontrolle der TNF-a Ausschüttung in LPS-stimulierten Alveolar Makrophagen bewirkte [, ], eine gleichzeitige Applikation von TNF-a aber die LPS-induzierte HSP Produktion in vivo verstärkte []. Gleichermaßen wurde demonstriert, daß das Myokard vor einer Endotoxin-induzierten Ischämie durch eine vorherige Induktion von HSP geschützt wird []. Weiterhin werden wiederholt mit LPS und IFN-g stimulierte Makrophagen durch die Expression von hsp70 resistent gegenüber den schädlichen Einflüssen von Stickoxyd [].

Dagegen können HSP in bestimmten Fällen zu einer Chemotherapieresistenz in der Onkologie beitragen, wie in vitro für Gemcitabine gezeigt wurde []. Die zeitliche Applikation der Hyperthermie sollte in diesen Fällen nach der Verabreichung des Chemotherapeutikums liegen. In vielen Fällen wird die Chemotherapie jedoch mit gutem Erfolg direkt vor oder während des Temperaturmaximums der Hyperthermie gegeben, um den thermosensibilisierenden Effekt der Hyperthermie auszunutzen [-]. Gleichzeitig darf angenommen werden, daß die Hyperthermie zu einem Schutz gesunder Zellen während und nach einer Strahlen- und /oder Chemotherapie führt. Die protektiven Effekte der Hyperthermia beginnen 1 bis 2 Stunden nach Hitzeexposition und erreichen ein Maximum nach 12 Stunden []. Interessanterweise wurde jedoch eine Vasodilatation im Tumorgefäßbett noch nach zwei Wochen in vivo demonstriert [].


 Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Ralf Kleef

Windmühlgasse 30/2/7

A-1060 Wien
E-mail:
kleef@hyperthermie.at

homepage www.hyperthermie.at

Ausführliche Literaturliste kann vom SynMed-Verlag angefordert werden:

 

SynMed Institut und Verlag, Mommsenstr. 55, D-10629 Berlin.