Wunder über Wunder:

Elektromagnetische Felder (EMF) in der Onkologie

 

Intro

Elektromagnetische Felder (EMF) gehören zu unserem Leben. Nahezu alle biologischen Vorgänge basieren u. a. auf elektrischen Vorgängen: vom Lichtspektrum über das natürliche Magnetfeld unseres Planeten bis hin zu körpereigenen Vorgängen wie etwa der Übertragung von Impulsen unserer Nervenzellen, entstehen ständig elektromagnetische Felder unterschiedlicher Intensität und Stärke. Zudem sind alle elektrischen Einrichtungen von elektrischen und magnetischen Feldern umgeben oder strahlen sie aus. Damit haben wir (neben der Wirkung natürlicher EMF) in unserer modernen Zivilisationsgesellschaft zunehmende Einflüsse von uns selbst geschaffener exogener elektromagnetischer Strahlung: von der Stromversorgung in unseren Häusern, über Handys, Fernseher, Computeranlagen bis hin zu Kraftwerken und Hochleitungstrassen der Energielieferanten, Radar- und Richtfunkanlagen, Satelliten und Einrichtungen der Radiometeorologie. Die Wirkung dieser Felder auf den menschlichen Organismus wurde in den letzten Jahren zunehmend kontrovers und vor allem sehr emotional geführt. Zum einen werden EMF in der Medizin zu diagnostischen (z. B. Kernspintomografie) oder therapeutischen (Magnetfeldtherapie) Zwecken genutzt, zum anderen stehen sie im Verdacht, Erkrankungen bis hin zu malignen Tumoren und Leukämien auszulösen. Die kontroverse Diskussion wird in den meisten Fällen ohne ausreichende physikalische Basiskenntnisse geführt und ist damit obsolet. Teilkenntnisse und fehlendes physikalisches Verständnis einerseits, aber auch mangelnde Informationen und schlechte Datenlagen zu den Auswirkungen von EMF auf den menschlichen Organismus andererseits, lassen im Graubereich medizinisch-physikalischer Technik z. T. dubiose Blüten und Praktiken wachsen. Hierunter fallen einerseits Techniken, die uns einen "Schutz vor gefährlichem Elektrosmog" versprechen (und aller meist nicht halten können), andererseits Techniken, die von Herstellern zur Behandlung von Erkrankungen empfohlen werden, bis hin zu Geräten mit dem definierten Einsatzgebiet der Behandlung maligner Tumoren. Zu zwei solcher dubioser Techniken hatten wir in der Vergangenheit bereits Stellung bezogen: Behandlung mit dem "Cell Com-" Gerät nach Nielsen sowie die Behandlung mit dem "Zapper" nach H. Clark. [1]

Zu diesem Themenkomplex haben wir uns, inspiriert durch Werbeaussagen der Firma BEMER, die maligne Tumoren als explizite Indikation zur Behandlung mit ihrer Technik aufführt, um eine kritische Recherche der Hintergrundsituation bemüht. In den Aussagen der Hersteller und Protagonisten zur Wirkungsweise und Wirksamkeit des BEMER-Systems wird, neben unspezifischen Aussagen über die Verbesserung subjektiver Parameter wie Allgemeinbefinden und Verkürzung von Rekonvaleszenzphasen, u. a. ausgeführt:

"Insbesondere wird die Antikörperbildung und Makrophagenaktivität gesteigert, die Zahl der T-Lymphozyten nimmt zu und die Produktion verschiedener körpereigener Enzyme, z. B. Lysozym, wird aktiviert.

Die durch den BEMER-Impuls bewirkte Steigerung der körpereigenen Melatoninproduktion ist für den Tumorpatienten neben dem entspannenden und schlafregulierenden Effekt auch deshalb vorteilhaft, weil Melatonin freie Radikale, die bei Tumorerkrankungen vermehrt entstehen, binden kann." [2]

Die Unterlagen der Hersteller und Protagonisten, die uns auf Nachfrage zur Wirkungsweise und Wirksamkeit des BEMER-Systems übersandt wurden, stützen diese beiden Aussagen nicht, wie weiter unten ausgeführt wird.

In diesem Rahmen haben wir uns von kompetenten Fachleuten beraten lassen (H. Grösser, AKODH-Beiratsmitglied für den Bereich biophysikalische Verfahren, F. Grotenhermen, Leiter des Nova-Institutes und Mitherausgeber der Zeitschrift ELEKTROSMOG-REPORT). Zudem haben wir den Protagonisten der BEMER-Technik (H. Michaelis und A. Ohlenschläger, Leiter der Academy for Bioenergetics) mittels eines differenzierten Fragenkataloges um eine Stellungnahme gebeten. Diese Schriftwechsel haben wir in der heutigen Ausgabe dokumentiert.

Zum besseren Verständnis der physikalischen Grundlagen elektromagnetischer Felder verweisen wir auf einen Beitrag von D. Mischke [†] in dieser Ausgabe AKODH-intern. Weiter gehende und gut verständliche Basisinformationen sind auf der Homepage des mit dem AKODH kooperierenden DATADIWAN nachzulesen: www.datadiwan.de/esmog/es_002d_.htm .

Dem hier publizierten Beitrag von P. Guglhör, G. Schmidt (TÜV Bayern/Sachsen) und M. Leininger (Deutsche Aerospace AG) haben wir auch die Tabellen zu den heute gültigen Grenzwertverordnungen in den Schutzverordnungen für den Niederfrequenzbereich von EMF entnommen. [3] weiter Gehende Informationen zu den (meist unwirksamen) Gerätetechniken, die zum "Schutz vor Elektrosmog" angeboten werden, erhalten Sie über Dipl. Ing. Werner Schaper, Elektrotechnik, Biehlweg 2, D-22049 Hamburg. Informationen zu Elektromagnetischen Feldern gibt die Umweltmedizinische Beratungsstelle im Amt für Gesundheit der Stadt Hamburg in ihrer Broschüre "Elektromagnetische Felder - Elektrosmog" heraus: Amt für Gesundheit, Abtlg. Gesundheit und Umwelt, Tesdorpfstr. 8, D-20148 Hamburg. Eine solche Informationsbroschüre ist auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) erschienen. Sie kann angefordert werden über den BUND, Im Rheingarten 7, D-53225 Bonn (Titel der Broschüre: "Erklärungen, Zusammenhänge und BUND-Positionen zum Thema Elektrosmog").

Weitere (aktuelle) Detailinformationen können Sie im Internet (www.datadiwan.de) oder per Abonnement der Zeitschrift "Strahlentelex und Elektrosmog-Report" erhalten (Thomas Dersee, Rauxeler Weg 6, D-13507 Berlin).

Zusammenfassend kommen wir zu folgenden Einschätzungen:

1. Allgemeine Einschätzung:

Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf biologische Systeme ist heute noch unzureichend erforscht. Derzeit bestehende Grenzwert- oder Unbedenklichkeitsempfehlungen wie z. B. der Deutschen Strahlenschutzkommission (SSK) oder der Internationalen Strahlenschutzvereinigung (IRPA) basieren noch immer auf vorläufigen und nicht abschließend und einheitlich zu bewertenden Untersuchungen.

Seriöse Hinweise auf krankheits-, zum Teil auch tumorauslösende oder -fördernde Wirkungen von EMF [4-12] sind bis heute nicht einheitlich widerlegt. Sicher scheint zu sein, dass die Einwirkung bzw. Anwendung niederfrequenter EMF einen z. T. erheblichen und möglicherweise gesundheitsgefährdenden Einfluss auf den Melatoninstoffwechsel [11,12] sowie auf den Herzrhythmus [4] des Menschen haben. Weiterhin hat die Anwendung niederfrequenter EMF offenbar einen Einfluss auf die psychische Stimmungslage von Patienten; es gibt hier seriöse Hinweise auch auf psychisch de-stabilisierende Auswirkungen bis hin zur Häufung von Suiziden unter der Einwirkung von EMF. [7] Dieses hat auch bereits dazu geführt, dass Hersteller von Geräten zur Behandlung mit EMF die Gefährdung von Patienten mit Herzrhythmusstörungen oder Herzschrittmachern sowie von Patienten mit Psychosen, als Kontraindikation aufführen, wenngleich hier meist nur von einer "relativen" und nicht von einer "absoluten" Kontraindikation die Rede ist. Dieses bedarf aus unserer Sicht dringend einer Korrektur seitens der Hersteller. Auch die Auswirkung auf die Durchblutungssituation unter Anwendung niederfrequenter EMF im Sinne einer Durchblutungssteigerung stellt sich möglicherweise als problematisch dar. Die von den Herstellern als "relative" Kontraindikation angeführte Situation bei Patienten mit Aneurismen erscheint uns problematisch (welcher Patient weiß um seine Aneurismen?).

Einer der bedeutendsten Kenner dieser Materie, Herr Dr. rer. nat. Ulrich Warnke, Fachbereich 13 (Präventivbiologie, Technische Biomedizin und Umweltmedizin) an der Universität des Saarlandes, umschreibt die Risiken der Anwendung von Magnetfeldern in einer Antwort auf unsere diesbezügliche Anfrage vom September 2000 wie folgt (Auszüge aus dem Schreiben, beim AKODH einsehbar): "Sollten Sie von Firmen die Aussage erhalten, maligne Tumoren sind eine Indikation für pulsierende Magnetfelder, dann müssten die wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu mitgereicht werden. Selbst wenn es positive Aussagen gibt (...), dann sind damit spezifische Impulsmuster und vor allem Amplituden verbunden, die heutige Geräte nicht aufweisen. (...) Fatal wird die Angelegenheit deshalb, weil der Tumor im Einfluss der magnetischen und elektrischen Kraftfelder eine Proliferationszunahme aufweisen kann, wie es auch bei anderen Zellen passiert. Das heißt, der Tumor wird aktiviert und gleichzeitig kann das aktivierte Immunsystem nicht eingreifen, was der malignen Erscheinung Vorschub leistet. Gleichzeitig zeigen diverse wissenschaftliche Untersuchungen, dass die häufige Einwirkung unspezifischer magnetischer Felder (...) geeignet ist, Tumoren zu provozieren. Aus diesen Gründen rate ich zu größter Vorsicht bei der komplementären Behandlung von malignen Tumoren mit den heute vorhandenen Magnetfeld-Therapiegeräten."

2. Auswertung der Recherche zur BEMER-Technik (Anwendung in der Onkologie):

Der Arbeitskreis AKODH stellt aus den nachfolgend ausgeführten Gründen die Berechtigung zum Einsatz niederfrequenter (pulsierender) EMF für die Krebsbehandlung in Frage. Aus der Sicht des AKODH gibt es keine klaren Belege für die Wirksamkeit z. B. der BEMER-Technik, weder an malignen Tumoren noch am Immunsystem des Menschen. Im Gegenteil existieren etliche seriöse Untersuchungen, die die Anwendung niederfrequenter (pulsierender) EMF als im onkologischen Bereich kontraindiziert erscheinen lassen. Dazu gehören Erkenntnisse um die Stimulation der Durchblutung nach Anwendung (Förderung der Versorgung und möglicherweise der Angioneogenese des Tumors) von EMF sowie Hinweise auf tumorinduzierende Wirkungen von EMF. Die "positive" Datenlage zu Gunsten der Anwendung von niederfrequenten EMF ist dünn wie nachfolgend ausgeführt.

Die von den Herstellern und Protagonisten der BEMER-Technik auf Anfrage und Nachfrage versandten "Belege" für die Wirksamkeit in der Krebstherapie basieren auf insgesamt acht Arbeiten, von denen zwei Arbeiten nicht in unsere Einschätzung einflossen (Arbeiten auf dem Niveau von "persönlichen Mitteilungen" oder "Werbemedien" von Ohlenschläger A. [Die Wirkung pulsierender elektromagnetischer Felder bei der Behandlung von Tumoren] und Pappas PT. [Our Theory of Cancer]). Beide Arbeiten sind offenbar auch nicht publiziert worden. Die übrigen sechs Arbeiten [13-18] können nicht als aussagekräftig zur Indikationsstellung zur Behandlung maligner Tumoren mit niederfrequenten EMF bewertet werden. Vor allem lassen sie keine Rückschlüsse auf die Wirkungsweise und Wirksamkeit der BEMER-Technik zu, denn bei den vorgelegten Literaturangaben handelt es sich im Wesentlichen um: 1.) eine wenig aussagekräftige Arbeit aus der Vorkriegszeit , 2.) mehrere experimentelle Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen und 3.) eine Computersimulation (virtuelle Tumortherapie). In einer der übersandten Arbeiten [17] ist sogar der Hinweis auf wachstumsstimulierende Wirkungen pulsierender elektromagentischer Felder enthalten.

In den überwiegenden als "Beleg" übersandten Arbeiten wurde zudem mit deutlich höheren magnetischen Feldstärken gearbeitet, als in der Anwendung der BEMER-Technik erreicht werden. Sie überschritten um 1 - 5 Zehnerpotenzen die Grenzwerte für Magnetfeldstärken in Deutschland. Eine Übertragung der übersandten Arbeiten auf die Wirkungsweise und Wirksamkeit der BEMER-Technik erscheint damit unzulässig und unseriös.

Die unsichere zivilrechtliche Haftungssituation in der therapeutischen Anwendung von EMF stellt einen weiteren kritischen Punkt dar. Auf Grund des derzeitigen unsicheren Kenntnisstandes zur Wirkung auch therapeutisch angewandter EMF gibt es derzeit hier keine eindeutige Rechtsprechung. In einer diesbezüglichen Stellungnahme zur Haftungssituation in der Anwendung von Geräten zur Therapie mit EMF führen die Fachkanzleien Knoke, Sallawitz und v. Bismarck (Hannover) sowie Rinsche und Speckmann (Potsdam) wie folgt aus (Auszüge): "dass es gerade Produzenten von Geräten mit erheblichen Feldstärken (...) keinesfalls leicht fallen dürfte, den Beweis dafür zu erbringen, dass mögliche Gesundheitsgefahren zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe unbekannt waren. Als Ursache für die gegenwärtige Unmöglichkeit, verlässliche Aussagen über den Grad der Gesundheitsgefährung durch elektromagnetische Felder zu machen, kommt die mangelnde Bereitschaft, Erkenntnisse zu gewinnen, in Betracht. (...) Der derzeitige Forschungsstand zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder schließt eine zivilrechtliche Haftung nicht aus." [19] Nicht nur für den Hersteller solcher Geräte, sondern auch für den Anwender, ergeben sich hieraus haftungsrechtliche Risiken. So könnte beispielsweise der Fall eines unter der Anwendung entsprechender Geräte wachsenden Tumorgeschehens durchaus ein zivilrechtlicher Tatbestand werden, zumal sich heute angesichts einer breiten Diskussion um die Gefahren von EMF-Emissionen der Anwender nicht auf eine "Unkenntnis" zu möglichen Gesundheitsrisiken berufen könnte.

 

Anmerkungen und Literatur:

Wunder über Wunder, the moneymaker..., AKODH-intern, 1998; 2.

Ohlenschläger A. BEMER 2000-Therapie. Die Wirkung pulsierender elektromagnetischer Felder bei der Behandlung von Tumoren. Academy For Bioenergetics, Werbebeilage.Triesen/Fl.

Guglhör P, Leininger M, Schmidt G. Einwirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen. Studie im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen (StMLU), München: Verlag; 1994.

Grotenhermen F. EMF beeinflussen die Herzfrequenzvariabilität. Elektrosmog Rep 1998; 11 (4).

Gralla G. Elektrische und magnetische 50-Hz-Felder an Schlafplätzen. Elektrosmog Rep 1998; 2 (4).

Mevissen M. Tierexperimentelle Studien zeigen krebspromovierende Wirkungen niederfrequenter Magnetfelder. Elektrosmog Rep 1995; 1 (1): 5-6.

Grotenhermen F. EMF und Selbstmord. Elektrosmog Rep 2000; 5 (6): 1-2.

Grotenhermen F. Erhöhtes Krebsrisiko bei beruflicher Magnetfeldbelastung. Elektrosmog Rep 2000; 2 (6): 1-2.

Grotenhermen F. Elektromagnetische Felder und Krebs. Elektrosmog Rep 1999; 8 (5): 1-3.

Grotenhermen F. EMF und Kinderleukämie. Elektrosmog Rep 2000; 1 (6): 1-2.

Frenzel-Beyme R. Melatonin und Krebs. Elektrosmog Rep 1998; 2 (4): 4-5.

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Spude H. Über neue Wege der Krebsbehandlung. Naturärztliche Rundsch vom 16.4.1937, 111.

Raylman RR, Wahl RL. Magnetically Enhanced Radionucilde Therapy. J Nucl Med 1994; 35: 157-63.

Weber Th, Cerilli GJ. Inhibition of Tumor Growth by the Use of Non-Homogeneous Magnetic Fields. Cancer 1971; 28: 340-3.

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Malter M, Schriever G, Kühnlein R, Süss R. Tumoricidal Cells Increased by Pulsating Magnetic Field. Anticancer Res 1987; 7: 391-4.

Batkin S, Tabrath FL. Effects of Alterning Magnetic Field (12 Gauss) on Transplanted Neuroblastoma. Res Comm Chem Path Pharm 1977; 16 (2): 351-72.

Halbe S, Quante F. Risiko EMF - Die zivirechtliche Haftungssituation in Deutschland (Teil 1 und 2), Die Kölsche Rück 1998; 2, 3: 6. (siehe auch unter: http://www.datadiwan.de/esmog/es_98_11.htm)

Grösser, H. (Beiratsmitlgied AKODH), persönliche Mitteilung auf Anfrage zum Thema.

Für den Arbeitskreis AKODH:

Manfred Kuno
Peter-Strasser-Weg 35
12101 Berlin
Tel. 785 71 51
Fax. 785 82 12